vom 17.10.2009

Für eine Zukunft auf dem Land

Preisverfall, Wachstumszwang, Widerstand: Warum junge Menschen trotzdem Landwirte werden oder bleiben wollen

rg Dannenberg. Der Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte ist seit Monaten fast täglich Thema in den Medien. Milchbauern können von dem, was sie für ihre Milch bekommen, nicht leben, für Getreide wird nur noch halb so viel gezahlt wie vor einem Jahr, Schweinemäster müssen immer mehr Tiere produzieren, weil der Ertrag pro Schwein immer geringer wird - die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

 

Bild: 2008 bekamen Landwirte für einige Getreidesorten noch doppelt so viel, wie heute gezahlt wird. Zudem, beklagt der Arbeitskreis junger Landwirte, sind die durchschnittlich zur Verfügung stehenden Anbauflächen je Hof in Lüchow-Dannenberg oft zu klein, Wachstum aber kaum möglich.

Und angesichts dieser Meldungen fragen sich viele Menschen: Warum bleibt jemand denn noch Landwirt? Warum geben die Bauern nicht auf, warum gibt es sogar noch junge Menschen, die Landwirt werden, die die Höfe ihrer Eltern übernehmen wollen? Die Antwort, die man auf solche Fragen bei jungen Landwirten bekommt, klingt einfach: »Weil wir hier geboren sind, weil wir hier leben und arbeiten wollen.» Das sagt Christian Möller, Ackerbauer und Mitglied im Vorstand des Arbeitskreises junger Landwirte Lüchow-Dannenberg (AKL). »Und weil die Höfe teilweise schon seit vielen Generationen unserer Familien ge-hören und von ihnen bewirtschaftet werden. Das ist unsere Heimat, unsere Tradition. Da-ran hängt das Herz, so was schmeißt man nicht einfach hin.» Und so denken sie alle im AKL-Vorstand, und so denken viele der kreisweit rund 300 Mitglieder: »Wir wollen bleiben.» Doch ihnen ist auch klar, dass es so nicht weitergehen kann. Und daher fordern sie nun von der Politik, von der Verwaltung und auch von ihren Mitbürgern, dass sich etwas tut. »Dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, innerhalb derer wir zukunftsfähig arbeiten können», betont Anke Bohnenbuck, Milchviehhalterin und Vorsitzende des AKL. Von diesen Rahmenbedingungen haben sie ganz konkrete Vorstellungen. »Die Betriebe müssen wachsen können», sagt Christian Möller. »Größere Einheiten sind überlebensfähiger.» Es dürfe nicht sein, dass jede Produktionsausweitung, jeder An- oder Ausbau auf einem landwirtschaftlichen Betrieb »von Anfang an argwöhnisch beäugt» werde. »Wenn ein Industrieunternehmen sich erweitert, fragt niemand nach. Im Gegenteil: Das Unternehmen wird finanziell gefördert, unterstützt», sagt Dennis Gehrke, Schweine-halter und gerade mit einem Plan zur Erweiterung seiner Produktion gescheitert (EJZ berichtete). Dabei sei es gar nicht das Ziel, in industriellem Maßstab zu produzieren, betont Anke Bohnenbuck. »Man muss aber so groß werden können, dass man davon leben kann.»

Ein Problem dabei sei, dass auf den Dörfern immer weniger alteingesessene Landbevölkerung lebe, glaubt Christian Möller. »Probleme, wenn jemand beispielsweise einen neuen Stall oder eine Biogasanlage bauen will, machen fast immer Zugezogene.» Als Bauer wisse man, wie Landwirtschaft funktioniere. »Menschen, die aufs Dorf ziehen, fehlt dieses Wissen. Und sie merken häufig gar nicht, dass sie mit ihrem Widerstand gegen Landwirtschaftsprojekte genau das kaputt machen, was sie eigentlich erhalten wollen: die bäuerliche Landwirtschaft im Familienbetrieb», glaubt auch Jung-Ackerbauer Markus Kaufmann. Ein weiteres Problem sei die Tatsache, dass die Preise nicht mehr durch reales Angebot und echte Nachfrage entstünden. »Die Börse ist das Problem. Spekulanten beeinflussen die Preise», stellt Milchbauer Adrian Barge heraus. »Daher ist momentan auch in fast keinem Bereich mehr Geld zu verdienen, egal, wie die Betriebe aufgestellt sind.»

Die Landwirtschaft brauche starke, handlungsfähige Interessenvertretungen, fordert der AKL. »Derzeit sind alle untereinander zerstritten, und einige Verbände sind nicht mehr Sprachrohr der Landwirte, sondern vertreten die Interessen der Industrie», betont Anke Bohnenbuck. Auch innerhalb der Berufsgruppe sei mehr Solidarität nötig, um gegenüber dem Verbraucher, dem Handel und der lebensmittelverarbeitenden Industrie »Stärke zeigen zu können», sagt die junge Frau aus Langenhorst.

Die Antwort, die viele Menschen - und auch Teile der Politik - auf das Problem in der Landwirtschaft hätten, sei die Umstellung auf Bio-Produk-tion. »Das ist aber so einfach gar nicht möglich», betont Bohnenbuck. »Zum einen kostet das Geld, das auf vielen Höfen gar nicht vorhanden ist; zum anderen sind die Nischen schon besetzt, der Markt für Bio-Lebensmittel ist im ersten Halbjahr 2009 sogar um vier Prozent geschrumpft.» Die Verbraucher würden billige Lebensmittel fordern. Die niedrigen Erzeugerpreise aber, die dafür nötig seien, könnten die zumeist recht kleinen Betriebe in Lüchow-Dannenberg nicht mitgehen - ihnen droht das Aus.

1999 gab es in Lüchow-Dannenberg noch fast 1000 landwirtschaftliche Betriebe. Zehn Jahre später sind es nur noch knapp 700. Im gleichen Zeitraum wuchs die Größe der Betriebe um durchschnittlich 20 Hektar, die durchschnittliche Zahl der Milchkühe je Betrieb stieg von 30 auf 37, die der Mastschweine von unter 100 auf fast 150. »Doch damit liegt Lüchow-Dannenberg noch immer weit unter dem niedersächsischen Mittelwert», betont die AKL-Vorsitzende. Und die Betriebsgrößen, die die Niedersächsische Landwirtschaftskammer den Landwirten empfiehlt, würden auch nur selten erreicht. Die Kammer rechnete unlängst vor, dass ein Familienbetrieb zum soliden Wirtschaften bei der Schweinemast mindestens 3000 Mastplätze brauche, bei Milchviehhaltung mindestens 60 Kühe und eine eigene Nachzucht, und Ackerbauern sollten nicht weniger als 250 Hektar bewirtschaften können. »Das erreichen in Lüchow-Dannenberg die meis-ten Betriebe bei Weitem nicht», erläutert Dennis Gehrke. Ein Wachstum sei jedoch kaum möglich: »Jeder Landwirt, der was machen will, hat Angst, dass er gleich eine Bürgerinitiative gegen sich hat, wenn er irgendwas bauen will.»

Viele der Faktoren, die ihnen das Weiterwirtschaften auf der heimischen Scholle ermöglichen würden, können sie nicht oder nur wenig beeinflussen. Das wissen die Junglandwirte. Umso wichtiger sei es jedoch, dass das, was getan werden könne, auch getan werde. »Das Miteinander auf den Dörfern, die Solidarität der Landwirte untereinander, das Verständnis für die Belange der Bauern, die Unterstützung aus der lokalen Politik, der lokalen Behörden, und nicht zuletzt das Verbraucherverhalten hier vor Ort: Das alles ist beeinflussbar», glaubt Anke Bohnenbuck. »Wenn das alles gegeben wäre, wenn sich all das erreichen ließe, wäre schon viel gewonnen.» Dann, glaubt sie, wäre eine bäuerliche Zukunft auf dem Lande möglich. Und für die Landwirte auch lebenswert.

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