vom 03.04.2010


So gesehen


Die Bescheidwisser

Von Karl-Friedrich Kassel

Es war absehbar. Je länger der Streit um den Bau von Tiermastställen in Lüchow-Dannenberg dauert, desto mehr richten sich die Kontrahenten in ihren Positionen ein. Ihre wechselseitigen Argumente werden vorhersehbar, ihre Aufeinandertreffen rituell. Das ist nichts Verwerfliches. Es passiert immer in Konflikten. Erst werden die Vorwürfe vorsichtig erprobt, dann – immer sicherer geworden – werden sie von den Parteien wiederholt. Das ist der natürliche Gang der Dinge. Zu den von Landwirten gegenüber Nichtlandwirten immer wieder gern gebrauchten Vorwürfen gehört der, dass sie keine Ahnung haben von Landwirtschaft. Dass sie sowieso nicht vom Lande kommen, möglicherweise erst kurze Zeit –wobei es sich dabei um Jahrzehnte handeln kann – hier leben und deshalb nicht Bescheid wissen.

In der vergangenen Woche schwappte diese Haltung in Wustrow den Gegnern eines Hähnchenmaststalles in Teplingen entgegen. Ein alter, immer wieder gern aufgefrischter und genutzter Konflikt. Und hat die Seite der Landwirte nicht recht? Es stimmt doch, dass wir mit dem Bau von ein paar Mastställen noch lange keine emsländischen oder südoldenburgischen Verhältnisse haben werden. Es stimmt auch, dass die Tierhaltung in früheren Zeiten mitnichten tiergerechter und ansehnlicher war als in den geplanten Mastställen. Erst recht stimmt es, dass es noch niemandem gelungen ist, alle Eintagsküken am Leben zu halten –egal ob biologisch oder konventionell. Und dennoch kann man bei allem Rechthaben im Einzelnen falsch liegen. Denn dass die industrielle Art der Fleischproduktion und Überproduktion längst die Probleme schafft, die sie zu lösen vorgibt, lässt sich nur noch mit Scheuklappen bestreiten. Dass die Abhängigkeit als Mäster eine andere ist als die Abhängigkeit etwa von der Zuckerfabrik; das zu leugnen zeugt eher von Hilflosigkeit als von Souveränität. Aber das alles sind komplexe und komplizierte Strukturen.

An deren Schaltstellen sitzen auch noch mächtige Unternehmen und Interessenorganisationen. Das bei der Investitionsentscheidung auf dem eigenen Hof zu berücksichtigen, stellt eine Überforderung dar. Da ist es leichter, die Schuld für die eigenen Zwänge bei Leuten zu suchen, die außerhalb stehen. Die keine Ahnung von Landwirtschaft haben. Wir wissen, wie Landwirtschaft geht, hieß es denn auch in Wustrow. Wirklich? Unter der Leitung jener, die angeblich Bescheid wissen, fand in den vergangenen vierzig Jahren der Strukturwandel in der Landwirtschaft statt. Es waren nicht Tier- oder Umweltschützer, die zur Aufgabe von Höfen zwangen. Es waren die wirtschaftlichen 'oder sozialen Verhältnisse. Und die wurden von anderen gemacht. Auch von den eigenen Interessenvertretern. Die fachliche Überlegenheit, die von Landwirten in den Konflikten mit Nichtlandwirten gern hervorgekehrt wird, ist völlig unangebracht. Auch wenn sie damit recht haben. Wahrscheinlich wird noch der letzte Bauer im Dorf, wenn er das Licht im Stall ausmacht, auf Verbraucher und Naturschützer als das Übel seines Berufsstandes schimpfen. Weil alles andere zu kompliziert wäre für die eigene Betriebswirtschaft.

 

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