vom 16.01.2010

»Maximal fünf Cent pro Tier»

Tiermast-Gegner bezweifeln Gewinnversprechungen an Landwirte - Ruin durch industrialisierte Produktion?

fk Lüchow. Wenn die Groß-unternehmen der Tiermast-Branche ihre Werbefilme zeigen, dann sind darauf keine toten Tiere zu sehen. Wie in der vergangenen Woche, als der Marktführer Wiesenhof bei Landwirten in Küsten für die Hähnchenmast warb.

Bild: Umstritten: die industrialisierte Tierproduktion. Tiermast-Gegner bezweifeln die Gewinnversprechungen von Fleischproduzenten. Ganz im Gegenteil: Die Abhängigkeit könnte die Landwirte gar in den Ruin treiben, wird gewarnt. Aufn.: dpa

Die Küken waren niedlich, die Hähnchen lebhaft, die Einstreu sauber. Siebeneinhalb Mal im Jahr werde ein Stall für 40000 Tiere leergeräumt. Wie es in Wirklichkeit aussehen kann, wenn Fang- und Impftrupps die Ställe räumen, das erfuhren Fernsehzuschauer in der Sendung »Report» aus Mainz.

An Beinen oder Hälsen gepackt, wurden da die schreienden Tiere durch die Gegend geworfen wie Holzscheite oder in Kisten gestopft und gepresst. Längst nicht alle sahen vorher noch gesund aus. Viele hatten nur noch ein Restfederkleid, waren sonst nackt. Ihnen wurde vor laufender Kamera der Hals umgedreht. Der Boden des Stal-les war nach einem Mastdurchgang hoch bedeckt mit trockenem Kot. Von Einstreu war nichts mehr zu sehen.

Die Beteiligten an diesem Fall beklagen sich jetzt wechselseitig. Tierschützer den Fleischproduzenten, Wiesenhof die Tierschützer und die früheren Stallbetreiber. Aber auch unabhängig von diesem belegbaren Einzelfall machen Verbände gegen die Geflügelmast mobil.

Im vergangenen Jahr schlossen sich Umweltschutzverbände wie der BUND, der Deutsche Tierschutzbund und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) neben 30 weiteren Bürgerinitiativen und Vereinen zusammen. »Bauernhöfe statt Agrarfabriken» ist ihr Motto, mit dem sie auch auf der jetzt eröffneten Grünen Woche in Berlin gegen die industrialisierte Geflügelmast und die Ausdehnung der Großunternehmen aus dem Emsland und Südoldenburg nach Ostniedersachsen protestieren. »Die industrialisierte Form der Tierproduktion treibt Tausende von Bauernfamilien in den Ruin», meint etwa Professor Dr. Sievert Lorenzen vom Verein Provieh.

Für einen Betrieb, der sich vertraglich auf diese Tiermast einlässt, laufen die Kosten weiter, auch wenn das Großunternehmen wegen Absatzproblemen den Stall leerstehen lässt. Die AbL bezweifelt die demonstrativen Wirtschaftlichkeitsberechungen der Großunternehmen, mit denen bei Landwirten für den Bau von Mastställen geworben wird. Schon heute betrage der Versorgungsgrad mit Geflügelfleisch 100 Prozent, erklärt AbL-Sprecher Eckehard Niemann.

Gleichzeitig möchten die großen Vier der Branche allein in Ostniedersachsen weitere 200 Mastställe bauen lassen. Niemann bestreitet die von einem Wiesenhof-Vertreter in Küsten errechneten Gewinne von jährlich 32000 Euro. Maximal 16000 Euro kämen für den Landwirt am Ende heraus, fünf Cent pro Tier. Mehr als die Arbeitskosten würden nicht erwirtschaftet. Eine Verzinsung des Eigenkapitals erreiche nur ein Viertel aller Vertragslandwirte.

 Die Aktionsgemeinschaft Bauernhöfe statt Agrarfabriken wirft dem Bauernverband vor, die Landwirte falsch zu beraten und mit den Mast-Großbetrieben unter einer Decke zu ste-cken. Niedersachsens Bauernpräsident Werner Hilse sei etwa als Festredner bei Rothkötter aus Meppen aufgetreten, der Nummer zwei der Branche.

Laut AbL hat Hilse dabei der Hähnchenmast eine »gute Pers-pektive» bescheinigt. Für AbL-Sprecher Niemann kein Wunder. Hilse sei nicht nur selbst an der Putenmast in Sachsen-Anhalt beteiligt. Er sei auch Aufsichtsrat von VION, einem niederländisch-deutschen Fleischproduzenten. VION setze in jüngster Zeit verstärkt auf Geflügelfleisch. Niedersachsens AbL-Vorsitzender Martin Schulz aus Quickborn verlangt, den Anlagen für die industrialisierte Fleischproduktion das Privileg von Bauten im Außenbereich abzuerkennen. Landwirte dürfen auch dort Ställe und Scheunen bauen, wo andere Gewerbebetriebe keine Baugenehmigung erhalten würden. Dieses Privileg sollte nach Ansicht von Schulz nur für Bauernhöfe gelten, die ihre Tiere mit einem Anteil von mindestens 50 Prozent am Futter von eigener Futterfläche ernähren.

Die Vertragsmäster müssen dagegen den überwiegenden Teil ihres Futters vom Großunternehmen kaufen. Inzwischen gibt es Unterstützung für die kritischen Verbände auch von Kommunen. In Salzgitter wandte sich der Verwaltungsausschuss gegen den Bau einer Mastanlage. Auch Dannenberg hat bereits seine Absage an die industrialisierte Massentierhaltung erklärt. In Wietze kam es zum Protest gegen einen Schlachtbetrieb.

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